Glocken

 


Wissenswertes über die Glocken der Oberkirche
’’Unserer Lieben Frauen am Berge’’ in Bad Frankenhausen


Es ist kein Zufall, dass unser großer Nationaldichter Friedrich Schiller  Menschheitsgeschichte und Menschenschicksal in seinem großen Poem ’’Das Lied von der Glocke’’ mahnend mit dem Geschehen um den Glockenguss verflocht. Seit vielen Jahrhunderten begleitet der Glockenklang die Menschen durchs Leben. Er ruft zu Besinnung und Einkehr, kündet von  freudigem Anlass ebenso wie von Unglück, Krieg und Feuersbrunst, und die Glocken selbst haben ihre Schicksale. Darüber gibt es auch von den Glocken der Oberkirche, soweit bekannt, zu berichten.

Zunächst sei Herrn Werner Krugenberg aus Esperstedt gedankt, der wieder einmal im Frankenhäusischen Intelligenzblatt vom 26. Brachmonat (Juni) 1765 fündig geworden ist und akribisch die dortige Bekanntmachung abgeschrieben hat.
Vorangestellt sei jedoch ein kurzer  geschichtlicher Abriss, warum im Jahre 1765 überhaupt neue Glocken auf  dem Turm der Kirche ’’Unser Lieben Frauen am Berge’’, also unserer  Oberkirche, nötig geworden waren.

Es ’’brach am 27. Mai 1759 nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr, als eben der Pfingstmarkt abgehalten wurde, in der Salzkothe des Rath Struve, woselbst sich das zur Feuerung  bereitgehaltene Rohr entzündet hatte, Feuer aus. Es ergriff die linke  Seite der Frauenstraße und den neuen Markt, verzehrte 35 Häuser mit allen Hintergebäuden..., ergriff dann auch die Spitze des damals 377  Jahre alten Kirchturms und legte denselben binnen wenigen Stunden bis auf das Gemäuer in Schutt und Asche ...’’  Zum Glück konnte ein Übergreifen auf das gesamte Kirchengebäude verhindert werden, allerdings richteten Übereifrige dadurch einen besonderen Schaden an, dass sie  versuchten, die Orgel zu retten, indem man ihre Pfeifen herausriss. Man  hat sie aber bald darauf aus Spendenmitteln wieder herstellen können.
Auch der Neubau des oberen Turmteiles wurde bereits am 13. Juli 1760 begonnen und am 22. August 1761 beendet, sowie im weiteren Verlauf mit der Aufsetzung des Turmknopfes durch Schieferdeckermeister Lemnitzer am 30. Juli 1762 restlos abgeschlossen.

Die geschmolzenen Glocken konnten bereits 1765 wieder ersetzt werden, wobei das Heraufziehen der größten Glocke misslang, und sie herabstürzte. Zum Glück geschah keinem ein Unglück, und auch die Glocke blieb heil.

Da die Gemeinde auch während der Zeit ohne Orgel und Glocken in der ihr  vertrauten Kirche Gottesdienst abhalten wollte, half man sich ’’in ebenso schöner wie einfacher Weise. Ein Trompeter und ein Kesselpauker führten den Gemeindegesang, wie es zu dieser Zeit in vielen Gemeinden üblich war. ... und drei wackere Männer kletterten Sonntag um Sonntag auf den viereckigen Turmstumpf und stellten sich auf den Rand des Mauerwerkes. Und jeder nahm einen großen Reisigbesen mit. Damit begann der Erste,  seinen Besen wie einen großen Klöppel hin und her zu schwenken, und rief dazu mit hoher, heller Stimme als lebende Glocke laut über die Stadt: ’’Eichen, Eichen, Eichen!’’. - Darauf stimmte der Zweite mit tiefem Bass  ein und schwenkte den Besen: ’’Buchen, Buchen, Buchen!’’ und schließlich fiel der Dritte, den Besen schwenkend, mit mittlerer Stimme ein, so dass es weit in die Gemeinde hinein hallte: ’’Lärchen, Lärchen, Lärchen!  Kommet in die Kärchen!’’ ... ‘’

Die Veröffentlichung aus dem XXVI. Stück des Intelligenzblattes lautet wie folgt:

Vorfallende Veränderungen: am 18. hvjvs ist man mit dem Aufziehen des aus drey Glocken bestehenden Geläutes, das die hiesige Oberkirche durch den am  27 ten May 1759 entstandenen unglücklichen Brand eingebüsset hatte, fertig geworden. Der geschickte Meister dieses wohlgerathenen Geläutes  ist Herr Johann Mayer aus Rudolstadt, dessen dabey geäussertes und  uneigennütziges Betragen wir hiermit öffentlich zu rühmen für unsere  Pflicht halten. Wir wollen die Glocken-Aufschriften mittheilen.
 

I.

Auf der grösten Glocke, und zwar

a)

deren einer Seite stehen die Worte:

 

EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE, FRIEDE AVF ERDEN

 

VND DEN MENSCHEN EIN WOHLGEFALLEN

b)

Auf der anderen Seite:

 

PARTE HVJVS TVRRIS SVPERIORI IGNE D, XXVIIII, MAI, MDCCLVIIII.

 

NON PROCVL HINC IN SALINIS EXORTO VNACVM CAMPANIS

 

ANTIQVITATE ET CANORE INSIGNIBVS, INFELICITER CONSVMTA, DENVO

 

SVB AVSPICIIS SERENISSIMI PRINCIPIS AC DOMINI,

 

DOMINI IOANNIS FRIDERICI,

 

PRINCIPIS SCHWARZBVRGI, REL.

 

ANNO MDCCLXIII

 

PROPTER PACEM E DIRO SEXENNI

 

BELLO REDEVNTEM MVLTO FELICIORI ME CONFLATAM REDDIDIT

 

IOHANNES MAYERVVS, RVDOLSTAD.

 

 

II.

Auf der mittlern oder Sermon-Glocke befinden sich

a)

auf der einen Seite die Verse:

 

VOX MEA; VOX COELI; VOCO VOS

 

ENIM AD ATRIA COELI,

 

PERPETVA CVPIDI PACE, VENITE, FRVI.

 

FESTIVA AD PLAVSVS QVOTIES VOS EXCITO LVCE,

 

GAVDIA COMMOTI CARPITE MENTE PIA.

 

DVM FVNVS PLANGO, MEMORES CONCVRRITE LETI.

 

DICITE TRISTE VALE, MOLLITER OSSA CVBENT.

b)

Auf der andern Seite aber:

 

VI FLAMME PERII FATALIS, AT IGNE SECVNDO

 

CEV PHOEBI VIVAX RITE RENASCOR AVIS

 

PAX REDIIT EXVI, MARTIS DESAEVIIT IRA,

 

ATQVE FAVENTE MIHI PACE REDIRE PLACET.

 

FVS.10. MAYERO; RUDOLST. D. XV. SEPT.

c)

Und unten rund herum:

 

BEWAHRE DEINEN FVS, WENN DV ZVM HAVSE GOTTES GEHEST, VND KOMME, DASS DV HOEREST. ECCLES: IV, 17

 

 

III

Auf der dritten und kleinen Glocke ist zu lesen:

 

PACE

 

POST TRISTISSIMA BELLI FATA

 

QVAE PER SEX ANNOS

 

TOTA FERE TEVTONIA

 

ET NOSTRA VRBS EXPERTA EST;

 

EX VOTIS PIIS REDEVNTE

 

REDII ET EGO

 

EX AERE PER RIMAM DISRVPTO

 

AD PRISTINVM SONVM PRO PACE CONSERVANDVM

 

FVSORE 10. MAYERO, RUDOLSTAD.

 

DIE 18. MENS. MAI


Das  Schicksal dieser Glocken war das vieler ’’tönender Münder’’, sie sollten  eigentlich Frieden verkünden und wurden letztendlich immer und immer wieder zu Kanonen umgeschmolzen. Dieses widerfuhr auch den Glocken der Frankenhäuser Kirchen. Obwohl gerade erst im Jahre 1913 die große Glocke der Oberkirche umgegossen werden musste, da sie einen Sprung zeigte, fielen sie und  die mittlere Glocke 1917 dem I. Weltkrieg zum Opfer. Es blieb nur noch  die kleine Glocke, zu der nach dem I. Weltkrieg die Glocke vom sogenannten ’’Seier’’ aus der Gottesackerkirche (stand vormals im  Botanischen Garten) hinzukam. Beide befinden sich heute noch im Turm.

Seit der baupolizeilichen Sperrung des Turmes im Jahre 1984 darf auch die  letzte einsame Glocke nicht mehr läuten. Es sei denn, es gelänge mit Hilfe freudiger Spender, die letzten Stabilisierungsmaßnahmen zu ermöglichen. Es kann also jeder mithelfen, damit der Oberkirchturm, der jetzt bereits schon leuchtet, auch wieder mit uns ’’spricht’’.

Ingrid Mansel; Fördervereins Oberkirche e. V.

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